Paul Goesch
Zwischen Avantgarde und Anstalt
12.Mai 2016 bis 15. Januar 2017
Paul Goesch ist einer der wenigen ausgebildeten Künstler der Sammlung Prinzhorn. Er war ein angesehener expressionistischer Maler und Zeichner seiner Zeit und aktives Mitglied der Avantgarde, der zwanzig Jahre in psychiatrischen Anstalten verbrachte, bis er 1940 von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Das Museum, dem 2015 über 340 Werke Goeschs geschenkt wurden, präsentiert mehr als 120 Zeichnungen und Aquarelle des Künstlers aus eigenen Beständen, viele davon werden erstmals ausgestellt.
Paul Goeschs vielfältige Gouachen zeigen phantastische Architektur, Porträts, christliche und mythologische Szenen sowie gegenstandslose Kompositionen. Er hatte Architektur studiert (1903-1911) und war danach im Staatsdienst im westpreußischen Kulm tätig. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte er zur avantgardistischen Kunstszene Berlins, war Mitglied der Novembergruppe, des Arbeitsrates für Kunst und der Gläsernen Kette. Er nahm an Ausstellungen teil, publizierte Zeichnungen und Texte. Schon früher hatte er in Sanatorien Erholung von seiner „Nervosität“ gesucht, in Schwetz war er 1917-1919 in einer Anstalt gewesen. Ab 1921 blieb Goesch fast ohne Unterbrechung in den Anstalten Göttingen und Teupitz. Hier malte und aquarellierte er auf allem, was ihm zur Verfügung stand, von Papier über Karton bis hin zu Packpapier und Briefumschlägen. Auch nahm er eine Zeit lang weiterhin Illustrationsaufträge an und war auf Ausstellungen vertreten. 1940 ermordeten ihn nationalsozialistische Ärzte.
In der Kunst ist Paul Goesch bis heute ein Grenzgänger geblieben. Obgleich er in der Gläsernen Kette ein gleichwertiges Mitglied neben u.a. Bruno Taut, Walter Gropius und Hans Scharoun war, blieb seine Rezeption wegen seiner Psychiatrisierung zögerlich. Und als „Anstaltskünstler“ fanden ihn viele „zu professionell“. Hans Prinzhorn, der bereits um 1920 Werke von Goesch erhielt, äußerte sich in seinem bahnbrechenden Buch „Bildnerei der Geisteskranken“ nicht über den Berliner Künstler – weil er ihm nicht authentisch genug erschien. Heute können wir jenseits der einen wie der anderen Vorurteile einen einzigartigen Künstler neu entdecken.
Zu drei ausgewählten Aspekten im Leben und Werk von Paul Goesch bietet die Sammlung Prinzhorn in der Verlängerungszeit auch Themenführungen an (Termine siehe hier): So widmet sich „Paul Goesch und seine phantastischen Architekturentwürfe“ seiner eigentlichen Profession und wirft unter anderem einen Blick auf die „Gläserne Kette“, der Briefgemeinschaft visionär gesinnter Architekten um Bruno Taut, und dazu passenden Bauentwürfen, die der Schwerkraft zu trotzen scheinen. In der Themenführung „Anbetung für Seurat: Paul Goesch und der französische Pointilismus“ steht der französische Pointilist Georges Seurat im Mittelpunkt, der Paul Goesch faszinierte. Diese Führung wird es im Rahmen der französischen Woche auch in der Muttersprache des Pointilisten geben. Die dritte Themenführung nimmt das gewaltsame Ende von Paul Goeschs Leben 1940 in den Fokus – als ein Opfer des „Euthanasie“-Programms der Nationalsozialisten. Außerdem wird Thomas Röske, Kurator der Ausstellung, drei Mal selbst durch die Ausstellung führen und einen tieferen Einblick in die Auswahl der Werke geben.
Parallel zur Ausstellung "Paul Goesch" zeigt die Berlinische Galerie die Ausstellung "Visionäre der Moderne. Paul Scheerbart, Bruno Taut, Paul Goesch" (15. April bis 31. Oktober 2016)
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen und im Museumsshop und im Buchhandel erhältlich:
Paul Goesch (1885–1940) – Zwischen Avantgarde und Anstalt, hrsg. von Thomas Röske, Sammlung Prinzhorn Heidelberg 2016, Verlag Das Wunderhorn, 29,80 Euro. ISBN: 978-3-88423-539-3