Ein Kommentar zur Sammlung Prinzhorn von 1950

Dubuffets Liste

17. Dezember 2015 bis 10. April 2016

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Am 11. und 12. September 1950 besuchte der französische Maler Jean Dubuffet (1901–1985) die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg – nur fünf Jahre, nachdem er den Begriff „Art brut“ für eine rohe, ungeschliffene, nichtakademische Kunst geprägt hatte. In einer Liste protokollierte und bewertete er die gesehenen Werke – meist in knappen Worten (z. B. „extrêmement intéressant“ „pas bien“ oder „mediocre“). Die Ausstellung rekonstruiert möglichst umfassend Dubuffets Blick auf die Sammlung.

Prinzhorns Buch Bildnerei der Geisteskranken war für Dubuffet wie auch für viele andere Künstler ein wichtiger Wegweiser für die Möglichkeiten in der Kunst. Mit seiner Beurteilung der Sammlung versuchte Dubuffet sich von seinem großen Vorbild abzusetzen, sein Eindruck war jedoch bei weitem nicht so abwertend, wie es in der kunstgeschichtlichen Forschung lange Zeit vermutet wurde. Dass seine Einschätzung von Prinzhorns „Meistern“ mitunter kritisch, die Bewertung der Sammlung im Großen und Ganzen aber sehr positiv ausfiel, ist ein überraschendes Ergebnis der Ausstellung. Zu sehen sind 120 Werke darunter berühmte Klassiker wie Bühlers Fabeltier (für Dubuffet nur „mittelmäßig“) Natterers Weltachse
mit Hase („keine große Sache“). Gezeigt werden aber auch Künstler, die bei Prinzhorn unberücksichtigt blieben und aufgrund von Dubuffets Bewertung nun erstmals ins Licht der Öffentlichkeit rücken, z. B. ein anonymer Zeichner (Fall 419), der auf Tabakeinwickelpapier einen faszinierenden Figurenkosmos entstehen ließ („extrem interessant“).

In einem der Kabinette stellt die Künstlerin Janet Grau in ihrem Videoprojekt „extrem interessant“ Dubuffets historische Rezeption in einen aktuellen Kontext. Eine Gruppe von Betrachtern geht in Bildbeschreibungen auf die von Dubuffet beurteilten Arbeiten ein und schildert ihre persönlichen Eindrücke. Im Video wird die Beschreibung dokumentiert, nicht aber das zu beschreibende Werk selbst. Der Besucher ist somit gezwungen, sich anhand der gehörten Beschreibungen sein eigenes Bild zu machen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit wissenschaftlichen Texten von Ingrid von Beyme, Baptiste Brun und Thomas Röske und zahlreichen Abbildungen: Dubuffets Liste. Ein Kommentar zur Sammlung Prinzhorn von 1950, hrsg. von Ingrid von Beyme und Thomas Röske, Sammlung Prinzhorn Heidelberg 2015, Verlag Das Wunderhorn, 29,80 Euro.